Ísland
Ein Reisebericht quer durch Südisland im April. 7 Etappen.
102 Seiten, 35 Minuten, FHD, Dolby 5.1
Teil 1: "Velkomin" (Auszug)
Ich mag das Fliegen nicht. Es ist nicht direkt so, dass ich in irgendeiner Form Flugangst hätte, nein, weit gefehlt.
Ich kann ohne Probleme ein Ticket buchen, einchecken, auf den Flieger warten, einsteigen, mich in den Sitz zwängen, Gepäck unter dem Sitz verstauen, mit der Klimaanlage kämpfen, den "so-könnt-Ihr-überleben-wenn-Ihr-Eure-Schwimmwesten-richtig-anzieht" Vorstellungen folgen, Start, Verkauf, Essen, Getränke, Gespräche, Bordunterhaltung und Landung ertragen. Alles kein Problem.
Unangenehm finde ich nur den Flug.
Oder anders ausgedrückt: Von 16 Punkten, habe ich nur mit einem ein Problem.
Eine gute Quote. *Eigentlich.*
Dann gibt es aber wieder Situationen - oder in diesem Fall Flüge - in denen sich dieses Verhältnis verschiebt. Sei es wegen des langen Fluges, einer entsprechend unglücklichen Tagesverfassung oder einfach der zu überwindenden Strecke.
Manchmal ist das alles auch noch viel einfacher auszudrücken.
Mit einem Wort.
Turbulenzen.
So erlitten auf der Strecke Frankfurt - Keflavik.
Es hat so gerüttelt und geklappert, dass ich gar keine Chance hatte, das hervorragende Unterhaltungssystem in Form von Spielfilmen, Musik, Dokus und einem kurzen Isländischkurs entsprechend zu würdigen. Das alles war nämlich wirklich klasse, ich konnte sogar mit der eignen Maus Tetris spielen.
Wobei das Sortieren von unaufhaltsamen abstürzenden geometrischen Formen nicht unbedingt die beste Unterhaltung ist, wenn man in einem ruckelnden Flugzeug sitzt und einem alle möglichen Filme spontan vor Augen vorbeiflimmern, oder auch die Geräuscherfahrungen aus diversen Spielen in den Ohren klingeln.
Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass ich nicht an die Wiedergeburt glaube und dann doch ein bisschen Schiss um meine rudimentäre Existenz habe.
Barfuß die Zehen ein- und ausrollen hilft jedenfalls keine Sekunde. Ich habe das ausführlichst getestet. Mehrmals.
Naja, vielleicht habe ich doch eine Form von Flugangst.
Es ruckelte jedenfalls ganz beachtlich und kurz nachdem ich mir massive Vorwürfe gemacht hatte, die letzte Reise vor meinem Tod bar und nicht mit Karte bezahlt zu haben, meinte der Pilot, wir würden gleich landen und es täte ihm leid, dass es bei diesem Flug leicht holpriger als sonst gewesen sei, aber es hätte da unterwegs unerwartet starke "Sonnen" Protuberanzen oder sonstwas gegeben.
Eine Entschuldigung, die ich auch schon ein-, zweimal in einem völlig anderen Zusammenhang verwendet und mich dann genüsslich am Leid der mich angerufen habenden ergötzt habe.
Spontan beschließe ich ein besserer Mensch zu werden, etwas gegen meine wohl offensichtlich doch vorhandene Flugangst zu tun und Piloten mit einem Bannfluch zu belegen.
Dann gibt es ein ganz dezentes Plopp, die Maschine bremst und rollt zum vorgegebenen Terminal.
Na, das war ja einfach.
Warum sollte ich mir also Gedanken machen?
Ganz souverän und sicher gelandet und das auch noch mit einem Humor habenden Piloten und eigentlich mag ich meine eigene scherzhafte Art doch sehr.
Das Aussteigen, Gepäck erhalten und das erste Mal auf eigenen Füssen stehend durch die Fenster des Flughafens Keflavik in die langsam aufgehende Sonne zu blicken geht angenehm schnell.
Ich habe noch keine Ahnung von dem Wind da draußen, weil sich Lavasteine nicht sonderlich deutlich im Wind biegen.
Das also ist Island.
Die Insel, die Siegfried, von Worms aus über die Ruhr kommend, in wenigen Tagen rudernd erreicht haben soll. Naja, der hatte bestimmt auch keine Protuberanzen oder Flugangst - und kaltes oder schlechtes Wetter motiviert bestimmt zu schnellem Rudern.
Egal, es ist Anfang April, ich bin das erste Mal in Island, ich freue mich auf die raue Landschaft, eine weitere Sprache mit einer ganz exquisiten Grammatik, die ich nicht kenne, den Wind, die Luft, die Gerüche, das Essen, die Menschen und die hoffentlich zu erfahrenden Geschichten.
So stehe ich da und blicke auf die Lavafelder hinter den Parkplätzen.
Ich kann es noch nicht genau in Worte fassen, ich kenne es nicht und habe es bisher nicht erlebt, aber irgendwie, irgendwie - Flug hin oder her - mag ich Island.
Das war ein paar Tage vor dem richtigen Ausbruch des Eiapopeiajökull (Heißt natürlich Eyjafjallajökull, spricht und schreibt sich anders aber einfacher) ...